Deutsch als Unterrichtssprache

 

  • Wieviel verstehen anderssprachige Kinder wirklich ?

  • Was können wir tun, um ihnen das Lernen von Sachinhalten in der Fremdsprache zu erleichtern ?

Wieviel Kinder, deren Muttersprache nicht mit der Unterrichtssprache ident ist, im Unterricht tatsächlich verstehen, hängt von vielen Faktoren ab, und die Frage ist daher auch nicht einheitlich zu beantworten.
Generell aber muss damit gerechnet werden, dass ein erheblicher Teil der Informationen nicht oder nur unvollständig erfasst, und daher auch nicht verarbeitet werden kann.
Der Wortschatz von Kindern, die eine andere Erstsprache haben, ist in jedem Fall geringer, als der von deutschsprachigen Kindern.
Aber auch sprachliche Strukturen und grammatikalische Feinheiten bereiten ihnen Schwierigkeiten beim Verstehen von Texten.
Vor allem aber darf die Doppelbelastung, gleichzeitig eine neue Sprache erlernen, und in dieser auch Sachinhalte verstehen und verarbeiten zu müssen, nicht unterschätzt werden.
Besonders bei älteren Kindern, oder solchen, die schon erhebliche Vorkenntnisse in der deutschen Sprache haben (oder zu haben scheinen), passiert es häufig, dass diese Kenntnisse überschätzt werden.
Es ist jedoch keineswegs gesagt, dass Kinder, die auf der kommunikativen Ebene schon sehr sicher sind, und „schon gut Deutsch“ zu können scheinen, auch auf sachlicher Ebene über einen ausreichenden Wortschatz verfügen.

Während beim Einsatz anderer Fremdsprachen – etwa Englisch - als Arbeitssprachen sehr wohl auf den jeweiligen Sprachstand der SchülerInnen Bedacht genommen wird, ist dies bei Lernern der deutschen Sprache kaum der Fall. Hier wird, ohne Abstriche, einfach der traditionelle, monolinguale Unterricht abgehalten.

Gerade auf sachlichem Gebiet, im Sachunterricht, in Mathematik,, beim Lesen von Texten und Büchern, zeigt sich aber dann, dass der Wortschatz der SchülerInnen, die Deutsch erst lernen, sich fast ausschließlich auf der Ebene des täglichen Gebrauches bewegt. Dinge, die außerhalb dieses Bereiches sind, die etwa Natur, Umwelt, Wirtschaft... betreffen, können in der Regel weder verstanden noch wiedergegeben werden.

Wir müssen daher besonders im Sachunterricht davon ausgehen, dass der Wortschatz des jeweiligen Themas zuerst erarbeitet werden muss, bevor wir daran gehen können, Inhalte zu vermitteln.
In weiterer Folge müssen wir darauf achten, dass die Inhalte in einfacher Sprache vorgestellt werden, sodass sich auch keine grammatikalischen oder syntaktischen Hürden ergeben.
Werden Sachunterrichtsbücher oder Sachbücher im Unterricht verwendet, so müssen die Texte in den meisten Fällen vorher bearbeitet, d.h. vom Wortschatz her entrümpelt und grammatikalisch vereinfacht werden. 

Auch bei der Auswahl von Sachthemen sollte auf die Bedürfnisse der Kinder mir sprachlichen Schwierigkeiten Rücksicht genommen werden.
Hier ist vor allem darauf zu achten, dass die gewählten Themen
auch dem Lebensumfeld der Kinder aus anderen Kulturkreisen entsprechen, dass diese von dem Erlernten Nutzen ziehen, und dass sie auch die Möglichkeit bekommen, ihr eigenes Wissen, ihre Erfahrungen, und vor allem andere, für uns eventuell neue Aspekte aus ihrer Herkunftskultur einbringen zu können.
Oft sind Themen, die „unsere“ Kinder sehr interessieren, für Kinder aus anderen Ländern nur mässig interessant. 

Ebenso ist es kontraproduktiv, Kinder, die noch genug mit dem Erlernen der deutschen Sprache zu kämpfen haben, mit lateinischen Namen von Tieren (z.B. Dinosauriern...) zu belasten.
Wenn es darum geht, wichtige Sachinhalte zu vermitteln, und wenn es dabei in erster Linie um den Wissenserwerb geht, und nicht um Sprachvermittlung (etwa bei der Verkehrserziehung !) , dann ist es am besten, eine Möglichkeit zu finden, um den Kindern die Informationen in ihrer eigenen Sprache zu geben.

Wenn keine MuttersprachenlehrerInnen zur Verfügung stehen, 
dann sollten nach Möglichkeit Eltern, die ausreichende Sprachkenntnisse besitzen, zu diesen Unterrichtseinheiten eingeladen werden.
Bei der Darstellung von Sachverhalten muss mit größtmöglicher Anschaulichkeit gearbeitet werden.
Die Arbeitsanleitungen müssen in für die Kinder verständlicher, gegebenenfalls vereinfachter Sprache gegeben werden.

Wenn das erworbene Wissen später abgefragt wird, dann sollte man als LehrerIn nicht an bestimmten Formulierungen kleben, sondern Fragen so stellen, dass sie der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit der Kinder in der Fremdsprache angepasst sind, und alle Antworten gelten lassen, die inhaltliches Verständnis erkennen lassen, auch wenn die sprachliche Formulierung nicht korrekt ist.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass gerade im SU der Einsatz von zweisprachigen Wörterbüchern und muttersprachlichen Sachbüchern eine große Hilfe für die Lernenden darstellt.

 

Sachunterricht

Mathematik

Turnen und Sport

Musikerziehung

Bildnerische Erziehung und Werken

 

Deutsch als Unterrichtssprache in den einzelnen Gegenständen:

Sachunterricht

Sachunterricht dient der Wissensvermittlung. Er ist nur in zweiter Linie Sprachunterricht. Für Kinder, deren Muttersprache mit der Unterrichtssprache ident ist, dient der SU auf der sprachlichen Ebene dazu, den Wortschatz aufzubauen, und eine „wissenschaftliche“ Form der Sprache zu erlernen. 
Dazu ist aber ein bestimmtes Grundwissen Voraussetzung.
Die SU-Bücher, die wir in der VS verwenden, bauen alle auf diesem Wissen, nämlich dem natürlichen Sprachstand der 6 – 10 jährigen, auf.
Kinder, deren Deutschkenntnisse diesen Stand noch nicht erreicht haben, sind dadurch vom ersten Tag an benachteiligt, wenn der Unterricht nicht auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt ist.
Dazu kurz zusammen gefasst, ein paar wesentliche Punkte:

  • Der für das jeweilige Thema nötige Wortschatz sollte zunächst erarbeitet werden, bevor Sachinhalte besprochen werden.

  • Arbeitstexte müssen vereinfacht, gekürzt, und entrümpelt werden. 

  • Anschauung ist oberstes Prinzip.

  • Es sollte immer klargestellt werden, ob die SchülerInnen alles verstanden haben.

  • Wenn irgend möglich sollte die Muttersprache einbezogen werden (MuttersprachenlehrerInnen, Eltern, ältere Kinder, Bücher.....)

  • Die Auswahl der Themen im SU und bei Projekten sollte immer an das „Zielpublikum“ angepasst sein. (z.B: Es ist sinnlos, in einer Klasse mit überwiegend Kindern aus südlichen Ländern in aller Ausführlichkeit über Wintersportarten zu reden, da weder Erfahrungen noch Interesse dafür vorhanden sind)

Mathematik

Im Mathematikunterricht geht es in erster Linie um Verständnis der Problemstellung und um die rechnerischen Fähigkeiten.
Das logische Denken des Menschen entwickelt sich ausnahmslos in der Erstsprache. Es ist daher gerade hier besonders von Bedeutung, wie weit die Erstsprache beherrscht wird. 
Das rechnerische Können ist ebenfalls von der Erstsprache abhängig. Auch Menschen, die eine zweite Sprache gut oder sogar perfekt beherrschen, bedienen sich beim Kopfrechnen automatisch der Muttersprache.
Es sollte daher besonders darauf geachtet werden, dass beim Zahlenaufbau und beim Erlernen der Grundrechnungsarten die Muttersprache einbezogen wird. 
Sollte kein Muttersprachenunterricht an der Schule vorhanden sein, dann sollte man die Eltern darauf hinweisen, und sie bitten, mit den Kindern das Zählen und Kopfrechnen, sowie das Einmaleins auch in der Muttersprache zu üben.
Bei Textrechnungen steht die Sprache im Vordergrund.
Das Sprachverständnis ist Voraussetzung, dass ein Kind imstande ist, die Problemstellung zu verstehen und eine Lösung zu finden.
Es muss daher ein Weg gefunden werden, um das Problem so klar und eindeutig wie möglich zu darzustellen.

  • Möglichst sprachlich einfache Formulierungen

  • Standardsätze einführen, die die Problemstellung leichter erkennen lassen. 

  • Sprachlicher Reichtum und überflüssige Details können das Verständnis erschweren.

  • Manche Textbeispiele sind nur deshalb nicht lösbar, weil sie von Kindern aus anderen Kulturkreisen aufgrund mangelnder Sachkenntnis nicht verstanden werden können (heimische Landwirtschaft, Schiurlaub,....)

  • Besonders auf der Grundstufe I und für Seiteneinsteiger ist es hilfreich, das Problem bildlich darzustellen.

  • Oft ist es den Kindern zwar möglich, „intuitiv“ die richtige Lösung zu finden, sie können aber diese sprachlich nicht begründen. Auf die korrekte Formulierung von „Antwortsätzen“ muss daher nicht immer bestanden werden.

Musikerziehung

Oft hört man von LehrerkollegInnen Klagen, dass Kinder aus anderen Kulturkreisen „nicht richtig singen“ können.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass das musikalische Empfinden und das Gehör sehr stark kulturabhängig sind.
Nicht nur die Muttersprache prägt den Alltag der Familie, sondern die Musik ist ebenfalls ein Refugium, das aus der Heimat mitgenommen wurde, und der Musikgeschmack wird nur in den seltensten Fällen der neuen Umgebung angepasst. 
Die Kinder hören daheim daher fast ausschließlich Musik von Kassetten und CD´s aus ihrem Herkunftsland.
Diese Musik ist anders. Sie hat andere Harmonien, andere Rhythmen, andere Instrumente,..... 
Wer einmal versucht hat, etwa ein türkisches Lied nachzusingen, der merkt, wie schwer es ist, sich in diese ungewohnte Musik einzu"fühlen".
Die Kinder brauchen daher längere Zeit, bis sie imstande sind, „unsere“ Melodik zu übernehmen. Viele sind aber sehr musikalisch, oder verfügen über besondere rhythmische Fähigkeiten.

Es bedeutet eine Bereicherung für die ganze Klasse, wenn man gelegentlich Lieder aus den Herkunftsländern der Schüler singt, oder Lieder auswählt, für die es Strophen in mehreren Sprachen gibt. Die Kinder freuen sich sehr darüber und sind ungemein stolz, wenn sie einmal in der Lage sind, den anderen etwas beizubringen.
Bei der Auswahl von deutschsprachigen Liedern sollte man beachten, dass die Texte nicht zu lang, zu schwierig oder zu unverständlich sind. Auch Dialektlieder bereiten Kindern, die ohnehin schon mit der Sprache Schwierigkeiten haben, noch zusätzliche Probleme.
Es gibt aber auch Lieder, die dem Spracherwerb besonders förderlich sind, weil sie helfen, sprachliche Strukturen, oder auch die Aussprache oder den Sprechrhythmus zu verinnerlichen.
Ebenso, wie im Fremdsprachenunterricht in Englisch Lieder ganz bewusst eingesetzt werden, ist das auch in Deutsch hilfreich.

Bildnerische Erziehung und Werken 

Hier steht die Sprache nicht so sehr im Vordergrund, sie ist jedoch auch hier unverzichtbar für die Kommunikation. 
Wenn es darum geht, den Kindern Arbeitsanweisungen zu geben, brauchen wir die Sprache. Deshalb auch hier:

  • Einfache, klare Sprache, feststehende Leitsätze, 

  • kleiner, überschaubarer Wortschatz

  • Möglichst genau zeigen, was man will

  • Themenwahl soll auf kulturelle Besonderheiten Rücksicht nehmen ! (Weihnachten, Ostern, Tiere,...... nur mit Vorsicht bei Muslimen !)

  • Einbeziehen anderer Kulturtechniken als Bereicherung !)

Turnen/Sport

In manchen Kulturen haben die Menschen eine andere Einstellung zum Sport. Hier sollte man behutsam und verständnisvoll reagieren.
Kinder bewegen sich aber alle gern.
Die Sprache im Turnunterricht soll, ebenso wie überall, klar und einfach sein. Wenn Spiele erklärt werden, sollte darauf geachtet werden, dass wirklich alle Kinder die Spielregeln verstanden haben.
Sollte das nicht möglich sein, und die Kinder beim Mitspielen durch Irrtum und Fehler lernen, dürfen sie dadurch keine Nachteile haben.

mit geschätzter Genehmigung der Autorin Lisa Nevyjel